von Marieme Agne , Johanna Neuhauser und Verena Rothmund
Bei unseren Ausflügen in Gewächshäuser und Verpackungshallen in Almería springt uns ein Umstand sofort ins Auge: Männer und Frauen übernehmen in der andalusischen Landwirtschaft unterschiedliche Arbeiten. Während wir in den Gewächshäusern ganz überwiegend Männer sehen, sind die Verpackungshallen vor allem Arbeitsplatz für Frauen. Neben dieser offensichtlichen Arbeitsteilung begegnen uns noch weitere Bereiche, in denen migrantische Frauen eine andere Erfahrung machen als migrantische Männer. Migrantische Frauen sind in Almería genauso wie Männer den äußerst prekären Arbeits- und Lebensbedingungen ausgesetzt. Doch befinden sie sich in einer noch vulnerableren Situation als ihre männlichen Kollegen. Aufgrund der ungleichen Geschlechterverhältnisse kommen für Frauen zu den ohnehin schon schwierigen Verhältnissen noch weitere erschwerende Umstände hinzu, die spezifisch an ihr Geschlecht geknüpft sind. Diese Faktoren sollen im folgenden Beitrag näher beleuchtet werden und der Frage nachgegangen werden, welche Bedeutung der Kategorie Geschlecht in der landwirtschaftlichen Produktion für den Export in Andalusien zukommt.
Dazu werden werden wir insbesondere für Leser*innen, die weniger in der Geschlechterforschung bewandert sind – kurz unser Verständnis von Geschlecht und Intersektionalität darlegen. Danach beleuchten wir die geschlechtsspezifischen Arbeitsbedingungen in der andalusischen Landwirtschaft. Wir gehen beispielsweise der Frage nach, warum migrantische Frauen und Männer unterschiedlichen Arbeiten nachgehen und verdeutlichen die besonders vulnerable Situation von Frauen, die in den Gewächshäusern arbeiten. Im Abschnitt Frauen als bessere Arbeiterinnen? legen wir dar, wie in staatlichen Gastarbeiterprogrammen zwischen Spanien und Marrokko Mutterschaft als Einstellungsvoraussetzung von Frauen in der spanischen Erdbeerernte wirtschaftlich und politisch genutzt wird. Wir zeigen anschließend auf, dass die im Frühling 2018 veröffentlichten Vorfälle geschlechtsspezifischer und sexualisierter Gewalt auf den Feldern der andalusischen Obst- und Gemüseproduktion aufs Engste mit den extrem prekären Arbeitsbedingungen und dem unsicheren Aufenthaltsstatus der Migrantinnen verwoben sind. Zuletzt berichten wir von den breiten Protesten gegen die Verharmlosung sexualisierter Gewalt in Spanien im April 2018 und machen auf weitere feministische und migrantische Mobilisierungen gegen Arbeitsausbeutung und sexualisierte Gewalt aufmerksam.
Geschlecht als zentrale Dimension gesellschaftlicher Ungleichheit
Zentrale Arbeiten der Geschlechterforschung haben gezeigt, welch große Rolle das einer Person zugeschriebene Geschlecht in verschiedenen Kontexten des Lebens spielt.1 Es beeinflusst, wie Menschen sich selbst wahrnehmen und von ihrer Umwelt wahrgenommen und behandelt werden, welche Möglichkeiten ihnen offen stehen und welche spezifischen Herausforderungen ihr Leben prägen. Die gesellschaftlichen Verhältnisse zwischen den Geschlechtern sind von ungleichen Machtverhältnissen durchdrungen.2
Weltweit werden in den patriarchal geprägten Gesellschaften Frauen aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt. Zudem sind Menschen, die sich nicht bzw. nicht eindeutig einem Geschlecht zuordnen lassen oder die ihre Sexualität jenseits der heterosexuellen Norm leben, von gesellschaftlicher Diskriminierung betroffen.3 Forschungen zeigen, dass trotz stetigen sozialen Wandels, insbesondere in Bezug auf strukturelle Faktoren wie den Arbeitsmarkt, Geschlechterungleichheiten relativ stabil bleiben.4 Grund dafür sind neben dem bewussten und unbewussten Handeln der Einzelnen auch institutionalisierte Machtverhältnisse, beispielsweise in Wirtschaft und Politik. So lässt sich eine Segregation von Berufen entlang von Geschlecht beobachten, die häufig als „natürlich” dargestellt wird, jedoch gesellschaftlich konstruiert ist.5 Zahlreiche Berufe werden demnach entweder als typische Frauenberufe (z.B. Krankenpflegerin, Erzieherin) oder typische Männerberufe (z.B. Ingenieur, Maschinenbauer) angesehen. Sowohl der Lohn als auch das gesellschaftliche Ansehen der sogenannten Frauenberufe sind dabei meist geringer. Außerdem nehmen Frauen nach wie vor deutlich seltener Führungspositionen ein.6 Wie wir im Folgenden näher ausführen werden, sind die Tätigkeitsbereiche in der Landwirtschaft in Andalusien besonders stark geschlechtlich hierarchisiert.
Aber nicht nur die Kategorie Geschlecht steht im Zusammenhang mit ungleichen Machtverhältnissen. Auch entlang von Klasse, race, nationalstaatlicher Zugehörigkeit oder Religion bestehen Ungleichheiten. Das bedeutet, dass gesellschaftliche Ungleichheit unterschiedliche Dimensionen umfasst, die sich in Bezug auf die Benachteiligung Einzelner wechselseitig verstärken (z.B. Women of Colour im Globalen Süden) oder auch relativieren (z.B. weiße mittelständische Frauen im Globalen Norden) können.
Die Verschränkung dieser unterschiedlichen Kategorien wird auch als Intersektionalität bezeichnet.7 Auch bei migrantischen Arbeiterinnen in Almería wirken unterschiedliche Dimensionen sozialer Ungleichheit. Eine weiße, osteuropäische Erntehelferin kann beispielsweise Benachteiligungen aufgrund ihres Frauseins und ihres Status als Migrantin erfahren. Im Vergleich zu einer marokkanischen Arbeiterin of colour genießt sie aufgrund ihrer Wahrnehmung als weiße Person jedoch Vorteile.
Geschlechtsspezifische Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft
In der südspanischen Region – auch „das Gewächshaus Europas“ genannt – arbeiten mehrheitlich Migrantinnen und Migranten auf den Feldern und in den Verpackungshallen der Agrarproduktion für den Export. Dabei ist der Sektor stark geschlechtlich segmentiert: Während in den Gewächshäusern vor allem Männer tätig sind, ist die Arbeit in der Weiterverarbeitung und Verpackung der Produkte stark feminisiert.
In einem der von uns besuchten Gewächshäuser (mehr zu unserem Besuch hier) antwortet der Eigentümer, der je nach Saison drei bis fünf Männer aus Marokko beschäftigt, auf die Frage, warum keine Frauen in seinem Gewächshaus arbeiten: „Weil die Arbeit hier hart ist“. Noch am selben Tag besuchen wir eine Verpackungsfirma, in der Gemüse für die internationalen Supermarktketten sortiert, verpackt und etikettiert wird. Der Seniorchef führt uns durch die größte der fünf Hallen, in der 90% Frauen arbeiten. Die wenigen Männer in der Halle tragen Gemüsekisten oder fahren sie mit Gabelstaplern von A nach B. Auf die Frage, warum nur Frauen an den Fließbändern stünden, grinst der Unternehmer jovial: „Frauen sind mehr, sind mehr… ach, ihr wisst schon…“ „Was sind Frauen mehr?“ Er sucht mit kreisenden Handbewegungen noch immer nach dem Wort. „Frauen sind liebevoller mit dem Produkt“, gibt er schließlich zurück, wieder mit einem spitzen Lächeln auf den Lippen.

Verpackungshalle in Südspanien, Sortierung und Verpackung des Gemüses als Frauenarbeit.
Foto: Exkursionsgruppe 1/2018
Unsere Beobachtungen verdeutlichen, dass es in der spanischen Landwirtschaft klare geschlechtliche Zuschreibungen gibt, was als Frauen- und was als Männerarbeit zu verstehen ist. Diese Zuschreibungen folgen bekannten Mustern von hart/schwer/grob-männlich und weich/leicht/liebevoll-weiblich. Die Arbeit in den Gewächshäusern sei körperlich zu anstrengend für Frauen, hören wir von vielen weiteren Gesprächspartner*innen. Wie wir selbst beobachten konnten und uns in der Gewerkschaft SOC-SAT berichtet wird, schuften jedoch Frauen unter den gleichen extremen Bedingungen in den Gewächshäusern und Verpackungshallen. Während der Chef der Verpackungshalle zur Erklärung, warum vor allem Frauen an den Fließbändern stehen, geschlechterstereotype Eigenschaften ins Treffen führt, stellt sich die Situation für die Arbeiterinnen, mit denen wir in der Gewerkschaft ins Gespräch kommen, ganz anders dar: Sie berichten von prekären Verträgen, von Schichten von 14 bis 16 Stunden und der harten Arbeit in der Halle. Auch sie hätten häufig schwere Kisten zu schleppen und auch die Arbeit am Fließband sei körperlich anstrengend. Der Grund für die bevorzugte Einstellung von Frauen in den Verpackungshallen liege ihrer Meinung nach darin, dass die Arbeitgeber*innen damit Kosten sparten, weil sie Männern einen höheren Lohn bezahlen müssten.
Dies legt die Vermutung nahe, dass Zuschreibungen von Arbeit als sogenannte Männer- und Frauenarbeit auch funktional für die kapitalistische Verwertung von Arbeitskraft sind.8 Einfach ausgedrückt stehen Frauen nicht am Fließband, weil sie von Natur aus „liebevoller” oder ihre Hände besser für die Sortierung und Verpackung des Gemüses geeignet wären, sondern weil sie die Arbeitgeber*innen dadurch Kostenvorteile erzielen. Die Erzählungen der Arbeiterinnen machen darüber hinaus aber ebenso deutlich, dass Geschlechtergrenzen innerbetrieblich auch immer wieder überschritten werden, wenn beispielsweise zur Kosteneinsparung Frauen schwere Kisten schleppen müssen.
Mehr aus der Perspektive der Arbeiterinnen in der Landwirtschaft erfahren wir auch von Carmen Cruz, der Frauenbeauftragten der Gewerkschaft SOC-SAT. Zu ihren Aufgaben gehört es, Arbeiterinnen zu beraten, zu begleiten und sie über ihre Rechte aufzuklären. Es geht aber auch darum, den Migrantinnen einen geschützten Raum zu bieten, in dem sie sich miteinander austauschen können. Carmen kommt nicht alleine zu unserem Treffen in einem Café unweit des Strandes. Sie bringt ihre Genossin Saida* mit. Saida stammt aus Marokko und lebt schon seit einigen Jahren in Spanien. Wie viele andere marokkanische Frauen kam sie über ein Programm im Zuge der spanisch-marokkanischen Anwerbeabkommen zur Erdbeerernte nach Huelva. Aufgrund massiver gesundheitlicher Probleme, die durch die harte Arbeit in Huelva bedingt waren, wechselte sie nach Almería, um dort in der Gemüseproduktion zu arbeiten. Zum Zeitpunkt unseres Gesprächs war sie arbeitslos und hatte zuvor unter befristeten Verträgen und prekären Bedingungen in Gewächshäusern gearbeitet. Sie berichtete uns, dass sie aktuell versuche sich in einer Verpackungshalle zu bewerben, da die Arbeitsbedingungen dort besser seien als auf den Feldern bzw. in den Gewächshäusern. Denn für die Frauen, die in den Gewächshäusern arbeiten, gestaltet sich der Arbeitsalltag noch schwieriger als der ihrer männlichen Kollegen. Wir hören von Saida, dass es in vielen Gewächshäusern keine sanitären Anlagen gebe. Was für Männer schon problematisch ist, kann für Frauen zur reinen Tortur werden. Insbesondere wenn die Arbeiterinnen ihre Periode haben, sind sanitäre Anlagen eigentlich unabdingbar. Zudem seien Fälle, in denen schwangere Frauen trotz gesundheitlicher Probleme zum Arbeiten angehalten würden und denen bei Nichtbefolgung mit einer Entlassung gedroht würde, keine Seltenheit, so Saida.

Carmen von SOC-SAT und migrantische Landarbeiter*innen im Gespräch.
Foto: Carmen Cruz
Wie die Arbeiterinnen, mit denen wir uns wenige Tage davor in den Räumlichkeiten der SOC-SAT unterhielten, erzählen uns auch Carmen und Saida, dass Frauen häufig für die gleiche Arbeit weniger Lohn bekämen als Männer. Wie wir schon beschrieben haben, ist der Gender-Pay-Gap, also das Lohngefälle aufgrund von Geschlecht, in den Verpackungshallen besonders augenfällig. Laut unserer Quellen verdienen Frauen dort pro Stunde zwei Euro weniger als ihre männlichen Kollegen. Carmen und Saida erzählen uns außerdem von dem hierarchischen System, das in vielen Verpackungshallen herrsche. Dort gebe es Vorarbeiterinnen, die sich von den Arbeiterinnen „beschenken“ ließen und diesen im Gegenzug eine Beschäftigung für die nächste Saison garantierten. In einer Branche, in der es kaum feste Verträge gibt und Arbeiter*innen jede Saison oder sogar jeden Tag aufs neue bangen müssen, ob sie eine Anstellung erhalten, ist so eine Garantie viel wert. Die Bestechungen würden mit kleinen Geschenken und Aufmerksamkeiten beginnen und bei Geldgeschenken und großen Zuwendungen wie Fernsehern und Goldschmuck aufhören, erzählt Carmen. Sie weiß von einer Verpackungshalle, in der ein solcher Bestechungsskandal aufflog und in dem die verantwortlichen Vorarbeiterinnen entlassen wurden. Sie erzählt aber auch, dass dieses System, in dem die schutzlose und von absoluter Abhängigkeit geprägte Situation migrantischer Arbeiterinnen ausgenutzt wird, in vielen Fabriken weiterhin gang und gäbe sei.
Frauen als bessere Arbeiterinnen?
Neben dem kuriosen Argument, dass Frauen liebevoller zu den Produkten seien, hören wir immer wieder, dass sie so beliebte Arbeitnehmerinnen seien, da sie gehorsamer und weniger aufmüpfig seien. Doch der Grund, warum für bestimmte Arbeiten bevorzugt Frauen eingestellt werden, beruht nicht allein auf diesen stereotypen Eigenschaften, die Frauen hier zugeschrieben werden. Es gibt ganz praktische, politisch und wirtschaftlich kalkulierte Gründe, welche die Beschäftigung von migrantischen Frauen so attraktiv machen. Im Rahmen der landwirtschaftlichen Produktion in Andalusien treffen unterschiedliche Interessen aufeinander. Die Landwirt*innen benötigen flexible und günstige Arbeitskräfte, die die harten Arbeitsbedingungen akzeptieren. Hierfür greifen sie vor allem auf Arbeitskräfte aus Osteuropa und Marokko zurück, da sie diese zu niedrigeren Löhnen beschäftigen und kurzfristig einstellen und entlassen können. Gleichzeitig wird gesellschaftlich oft der Ruf nach sicheren Grenzen und der Beschränkung von Immigration laut. Um diesen unterschiedlichen Interessen gerecht zu werden, schloss Spanien mit einigen Ländern wie zum Beispiel Marokko Gastarbeiterinnen-Abkommen ab. Diese sollten sicherstellen, dass der Produktion ausreichend Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, diese Spanien nach Ende des Vertrags jedoch wieder verlassen.9
Auffällig ist, dass über diese Abkommen vor allem Frauen nach Andalusien kommen. Viele dieser Frauen werden bei der Erdbeerernte in Huelva eingesetzt. Der Plan, dass die Arbeitskräfte Spanien nach Ende der Saison wieder verlassen, ging zunächst nicht auf – viele Arbeiterinnen blieben ohne Aufenthaltserlaubnis im Land. Um dies zu unterbinden, wurden deshalb vorwiegend Frauen mit Kindern angeworben. Die Verbundenheit zu ihren Kindern im Herkunftsland und ihre familiären Pflichten sollen es wahrscheinlicher machen, dass sie nach Ende des Vertrags zurück in ihre Herkunftsländer kehren. Diese Umstände machen Frauen mit Kindern zur idealen Quelle für günstige, flexible Arbeitskraft für die Export-Landwirtschaft Andalusiens.10 Politiker*innen in Spanien und der EU verkaufen diese Abkommen als ‚ethischen Ansatz’, da einerseits die Nachfrage nach Saisonarbeitskräften gelöst und ihre Rückkehr gesichert wird und andererseits die Arbeitskräfte Geld in die Herkunftsländer bringen.11 Die tatsächliche Attraktivität der Programme liegt jedoch darin, dass angenommen wird, migrantische Arbeiterinnen – und insbesondere Mütter mit Betreuungsverantwortung für kleine Kinder – arbeiteten besonders fleißig und gehorsam und es sei vor allem auch garantiert, dass sie wieder zu ihren Familien in die Herkunftsländer zurückkehrten. Hier zeigt sich, dass nicht nur geschlechterstereotype Zuschreibungen wie die Bezeichnung der Arbeit von Frauen als “liebevoll” oder “zärtlich” und jener von Männern als “hart” und “anstrengend”, sondern auch die ungleich höhere familiäre Sorgeverantwortung von Frauen, von politischen und wirtschaftlichen Kräften zur Profitmaximierung ausgenutzt wird.

Das Beispiel der Anwerbeprogramme in Andalusien und insbesondere Huelva zeigt außerdem, dass geschlechtliche Zuschreibungen, insbesondere wenn es um Mutterschaft geht, unterschiedlich mobilisiert werden können. Denn einerseits wird traditionellen Geschlechternormen zufolge die Abkehr von Frauen von der Haus- und Familienarbeit und noch mehr das ‚Verlassen der Familie’ durch die Migration als Überschreitung des Ideals der Mutterschaft verstanden. Arbeitgeber*innen, Staat und Frauen selbst unternehmen daher oft große Anstrengungen, um die Arbeitskräftemobilität von Frauen zu erleichtern.12 Im Rahmen der hier beschriebenen Abkommen ist es jedoch genau anders herum: Mutterschaft wird zur Voraussetzung für die Anwerbung. Das zeigt, dass Mutterschaft und die damit verknüpften kulturellen Zuschreibungen auch „helfen“ können, weibliche Arbeitskraft zu disziplinieren: die Chance, jedes Jahr wieder nach Südspanien kommen zu können, um Geld zu verdienen, lässt die Frauen die schwierigen Bedingungen hinnehmen und ihre Ausreise zusichern. Mutterschaft wird so zur Voraussetzung anstatt zum Hindernis für die internationale Anwerbung von Arbeitskräften.
Forschungsarbeiten haben die zunehmende Bevorzugung von Arbeiterinnen und den Anstieg prekärer Arbeitsformen in Andalusien und in vielen anderen Regionen weltweit als „Feminisierung der Arbeit“ bezeichnet.13 Aufgrund des Ziels immer kostengünstiger zu produzieren, werden Arbeiter*innen benötigt, die bereit sind unsichere und schlecht bezahlte Arbeitsplätze anzunehmen.14 Wie das Beispiel der Erdbeerernte in Andalusien zeigt, sind das zunehmend Frauen, die versuchen ihren Familien – angesichts schwieriger wirtschaftlicher Situationen in den Herkunftsländern und der Armut in den Haushalten – das Überleben zu sichern.15 Im Zuge dessen wurden häufig Berufe, die bislang als männlich angesehen wurden, zu weiblichen Tätigkeiten umgedeutet. Diese Feminisierung geht meist mit einer Abwertung – und damit niedrigeren Entlohnung – dieser Arbeit einher.16
Geschlechtsspezifische und sexualisierte Gewalt auf den Feldern
Viele Frauen sind in der andalusischen Landwirtschaft neben den ausbeuterischen und zum Teil auch gewaltvollen Arbeitsbedingungen noch einer weitere Form von Gewalt ausgesetzt: sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt. Zu sexualisierter Gewalt zählt jede sexuelle Handlung, die gegen den Willen einer Person durchgeführt wird. Dazu gehören auch der Versuch, eine sexuelle Handlung zu erhalten, unerwünschte sexuelle Kommentare oder Vorstöße, oder Handlungen gegen die sexuelle Ausrichtung einer Person, die durch Zwang ausgeübt werden. Die Beziehung zum Opfer spielt dabei keine Rolle.17 Geschlechtsspezifische Gewalt wird als Oberbegriff für jede schädliche Handlung verstanden, die gegen den Willen einer Person ausgeübt wird, und die auf sozial zugeschriebenen (Geschlechts-)Unterschieden zwischen Männern und Frauen beruht.18 Der Begriff geht über körperliche sexuelle Handlungen wie Vergewaltigung, sexuelle Sklaverei, sexuelle Ausbeutung oder Menschenhandel hinaus und schließt auch emotionale und psychologische Formen, wie Demütigung, Ausgrenzung und Verweigerung von Ressourcen sowie häusliche Gewalt ein. Auch Versuche und Androhungen solcher Handlungen müssen zu geschlechtsspezifischer Gewalt gezählt werden.19 Dabei muss betont werden, dass sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt keine Sonderform, sondern eine zentrale Dimension geschlechtsspezifischer Ungleichheit und Machtverhältnisse sind.20 Die extremen Ausbeutungsverhältnisse in der andalusischen Landwirtschaft, die Hierarchie zwischen den Geschlechtern sowie der häufig unsichere Aufenthaltsstatus und rassistische Diskriminierung verstärken sich gegenseitig und erzeugen damit die besondere Vulnerabilität von migrantischen Frauen in diesem Feld.
Wie Carmen und Saida uns erzählen, gehört Gewalt – die von massiven Arbeitsrechtsverletzungen über geschlechtsspezifische Diskriminierung bis zu sexualisierter Gewalt reicht – für migrantische Frauen, die in der andalusischen Landwirtschaft arbeiten, zu ihrem Alltag. Sie erfahren Gewalt, während sie ihrer Arbeit nachgehen und Obst und Gemüse pflücken, das später zu Spottpreisen bei uns in den Supermärkten ausliegt. Auch in ihren Unterkünften, in die sie nach der Arbeit zurückkehren, um sich von den Strapazen des Tages zu erholen, sind sie vor Gewalthandlungen nicht sicher. Saida berichtet von Kolleginnen, die bei der Arbeit von ihrem Vorgesetzten dazu aufgefordert wurden, nachts zu ihm zu kommen, wenn sie weiter für ihn arbeiten wollten. In einer aktuellen Reportage von CORRECTIV, dem RTL Nachtjournal, und Buzzfeed News von April 2018 werden Missbrauchsfälle von Erntehelferinnen in Italien, Spanien und Marokko aufgedeckt.21 Die dort beschriebenen Gewalthandlungen bei der Erdbeerernte im andalusischen Huelva decken sich mit dem, was wir in Almería hören: Frauen werden beschimpft, schikaniert, sexuell missbraucht, vergewaltigt und geschlagen.
In vielen Fällen geht die sexualisierte Gewalt, die die Frauen erfahren, von hierarchisch höher gestellten Männern aus, von Vorgesetzten oder Vorarbeitern, aber auch von Kollegen.22 Saida und Carmen berichten, dass viele Frauen von diesen Männern unter Druck gesetzt und erpresst werden: Wenn sie gewisse sexuelle Handlungen nicht über sich ergehen ließen oder jemandem davon erzählten, dann würden sie ihren Job oder gar ihr Leben verlieren. Nur wenige Frauen trauten sich deshalb, jemandem von den Gewalthandlungen zu erzählen oder sie bei der Polizei anzuzeigen. Zu groß sei die Angst, den Job zu verlieren oder Racheakten der Beschuldigten ausgesetzt zu sein. Für viele der betroffenen Frauen stelle die Sprachbarriere ein weiteres Hindernis dar. Auch ein illegalisierter Aufenthaltsstatus sowie fehlendes Vertrauen in die spanische Justiz hielten sie häufig davon ab, sich an staatliche Stellen zu wenden.
An dieser Stelle zeigt sich, dass es sich um mehrdimensionale Machtverhältnisse handelt, wie oben mit dem Konzept der Intersektionalität beschrieben. Migrantische Frauen sind neben der geschlechtsspezifischen Gewalt auch von Rassismus, Klassismus und anderen Formen struktureller Diskriminierung betroffen, die sich wechselseitig verstärken.
Finden Frauen doch den Mut, den Missbrauch an ihnen anzuzeigen, bleibt dies – der Reportage von Buzzfeed zufolge – meist ohne Folgen für die Täter. Es stehe dann Aussage gegen Aussage und ohne juristisch eindeutige Beweise könne den Beschuldigten nichts nachgewiesen werden.23 Werden bei einer gynäkologischen Untersuchung beispielsweise Verletzungen im Unterleib festgestellt, so würde es einer Spermaprobe des Beschuldigten bedürfen, um seine Schuld zu beweisen. Den Frauen bleiben den Reporter*innen zufolge daher kaum Optionen, gegen den Missbrauch vorzugehen.24 Durch ihre prekäre wirtschaftliche Lage und häufig auch einen unsicheren Aufenthaltsstatus stehen die Opfer in einem prekären Abhängigkeitsverhältnis zu den Männern – oft ihren Vorgesetzten und Vorarbeitern –, von denen sie missbraucht werden. Viele sind so sehr auf ihren Job angewiesen, dass sie die Missbräuche stillschweigend über sich ergehen lassen.
Außerdem ist das Thema sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt nach wie vor stark mit Scham verbunden, sodass viele Opfer nicht einmal ihren engsten Angehörigen erzählen, was ihnen zugestoßen ist. Hinzu kommt, dass von sexualisierter Gewalt Betroffene noch immer häufig für das was ihnen angetan wurde, mit in die Verantwortung gezogen werden. Beim sogenannten Victim Blaming vollzieht sich eine Täter*innen-Opfer-Umkehr, bei der das Opfer für die erfahrene sexualisierte Gewalt selbst verantwortlich gemacht wird, während die Schuld des/der Täter*in relativiert oder sogar vollends aufgehoben wird.25 So ist ein sehr häufig auftretender Vergewaltigungsmythos, dass Frauen die Vergewaltigung aufgrund unangemessenen Verhaltens selbst provoziert hätten. Zu einem solchen unangemessenen Verhalten wird hier z.B. das Tragen von als aufreizend geltender Kleidung oder das Aufhalten in verlassenen Gegenden bei Dunkelheit gezählt.26 Da die meisten Fälle sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt nicht angezeigt werden, ist es schwierig, genaue Aussagen über ihr Auftreten zu treffen. Ein Hinweis für die Häufigkeit von Vergewaltigungen sei laut der Reportage von CORRECTIV, dem RTL Nachtjournal, und Buzzfeed News jedoch die erhöhte Abtreibungsrate in den betroffenen Orten. Der Ort Palos de la Frontera in der Provinz Huelva wird hier als Beispiel herangezogen. Dort sei die Abtreibungsrate während der Erntesaison deutlich höher, als in vergleichbaren Orten. Und von den Frauen, die eine Abtreibung vornehmen, seien 90% Gastarbeiterinnen.27
Von lokalen Hilfsorganisationen erhielten die Frauen laut der Reportage von CORRECTIV, dem RTL Nachtjournal und Buzzfeed News keine Unterstützung. Das Problem sei von deren Vertreter*innen und auch von der örtlichen Polizei geleugnet worden, wenn es den Reporter*innen überhaupt gelang, eine Stellungnahme von ihnen zu erhalten. Die einzige Organisation vor Ort, die sich mit dem Thema beschäftigt und für die betroffenen Frauen einsetzt, sei laut der Reportage die Gewerkschaft SOC-SAT.28 Die Berichte zu dem Thema sowie Infos zu Veranstaltungen und Protestaktionen auf der Seite der Gewerkschaftssektion in Huelva bestätigen das Engagement der Gewerkschaft zum Thema.
Eigene Recherchen zeigen jedoch, dass auch die CCOO (Confederación Sindical de Comisiones Obreras), eine der beiden größten Gewerkschaften Spaniens, sich bereits zur Thematik geäußert hat. Deren Beauftragte für Gleichstellung, Frauen und Arbeit, Pastora Cordero, veröffentlichte 2017 zum Tag der Frau einen kurzen aber vielzitierten Bericht zu den Missbrauchsfällen in Huelva. Laut Cordero wüssten in der Region alle über die Vorwürfe Bescheid. Unternehmen versuchten trotzdem, die Vorfälle unter Verschluss zu halten. Zu wichtig sei die Erdbeerindustrie für die Region.29 Interfresa, ein Branchenverband für Erdbeeren aus Andalusien, streitet die Vorwürfe ab und vermutet eine Verleumdungskampagne hinter der Reportage. Sie erwägen sogar, gegen das Team von CORRECTIV, dem RTL Nachtjournal und Buzzfeed News zu klagen.30
Natürlich wurde bereits vor der Reportage des deutschen Journalist*innenteams in den spanischen Medien über sexualisierte Gewalt in der andalusischen Landwirtschaft berichtet. Das Ausmaß der medialen Aufmerksamkeit für das Thema ist seit der Veröffentlichung jedoch rapide gestiegen. Die Problematik scheint auf der Agenda einiger NGOs und Gewerkschaften dadurch wieder ein ganzes Stück hoch gerückt zu sein. Auch die spanische Presse berichtet seitdem vermehrt darüber.31
Proteste gegen die Verharmlosung sexualisierter Gewalt in Spanien
Während wir schon wieder in Deutschland sind und die Eindrücke der Exkursion nach Almería sacken lassen, gehen in Madrid, Barcelona und ganz Spanien zehntausende Menschen auf die Straße. Sie halten Schilder in den Händen auf denen steht: „Nein ist nein!“ oder „Ich glaube dir!“.32 Allein in Pamplona gehen über 35.000 Menschen auf die Straße. Der Grund für die Massenproteste Ende April 2018: Das von vielen Spanierinnen für viel zu milde empfundene Urteil nach der Massenvergewaltigung einer 18-Jährigen durch fünf Männer bei den Feierlichkeiten zur traditionellen Stierhatz in Pamplona im Sommer 2016. Das umstrittene Urteil: Neun Jahre für den Straftatbestand von sexuellem Missbrauch statt den von der Anklage geforderten 22 Jahren für Vergewaltigung. „Das Urteil spiegelt den Machismo in unserer Gesellschaft wider“ sagt Barcelonas Bürgermeisterin, Ada Colau.33
Der Vergewaltigungsfall in Pamplona hat eine Debatte über das unzureichende spanische Sexualstrafrecht und über den Machismo in der spanischen Gesellschaft ausgelöst. Er zeigt außerdem, dass sexualisierte Gewalt kein Spezifikum der ausbeuterischen Verhältnisse in der Exportlandwirtschaft in Almería, sondern ein spanienweites Problem ist, das die gesamte Gesellschaft durchzieht und von dem alle Frauen mit egal welchem Hintergrund betroffen sind. Die Migrantinnen, die in den Gewächshäusern und Verpackungshallen schuften, sind jedoch auf mehrfache Weise von Gewalt betroffen und deshalb in einer noch verletzlicheren Situation: Sie sehen sich oftmals gezwungen die unmenschlichen Arbeitsbedingungen zu erdulden, die in den Gewächshäusern und Verpackungshallen vorherrschen. Ihre äußerst prekäre wirtschaftliche Lage ist geprägt von einem Lohn, der für ein würdevolles Leben nicht ausreicht. Die Arbeiterinnen können nicht sicher sein, in der nächsten Saison wieder eingestellt zu werden. Sie befinden sich in einem extremen Abhängigkeitsverhältnis zu ihren Arbeitgeber*innen, was den Nährboden für Erpressung und sexualisierte Gewalt bereitet. Ihr oftmals unsicherer und temporärer Aufenthaltsstatus macht sie zu dauerhaften Gästen, die niemals wirklich ankommen können. Doch das sollen sie auch nicht, wie die Anwerbeabkommen der EU und Spanien mit einigen Ländern wie Marokko zeigen. Die Vulnerabilität und die prekäre Lage der migrantischen Frauen in der Landwirtschaft für den Export in Andalusien ist daher keinesfalls alleinig auf ihr ‚Frausein’ zu reduzieren, sondern ergibt sich aus einer Vielzahl unterschiedlicher Bedingungen, die nicht zuletzt durch die große europäische Nachfrage nach billigem Gemüse befördert werden.
Feministische Bewegung gegen Arbeitsausbeutung
Die ‚Feminisierung von Arbeit’, die verstärkte Migration von Frauen und die damit einhergehenden Ausbeutungsverhältnisse sind auch keine spezifischen Probleme der Landwirtschaft im spanischen Andalusien. Überall auf der Welt und in ganz unterschiedlichen Sektoren sind migrantische Frauen besonders von schlechten Arbeitsbedingungen und ihren Folgeerscheinungen betroffen. Sie schuften in Bekleidungsfabriken (Sweatshops) in freien Exportzonen in Mittelamerika und den USA oder als Pflegekräfte in deutschen Krankenhäusern, Pflegeheimen oder Privathaushalten. Überall auf der Welt bilden sich aber auch Organisationen und Bewegungen, die sich gegen diese Ausbeutung und Diskriminierung zu Wehr setzen und für bessere Bedingungen der Arbeiterinnen kämpfen.34 Wie an den Protesten gegen die Verharmlosung der Vergewaltigungsfälle im Zuge der traditionellen Stierhatz in Pamplona deutlich wurde, ist das Thema sexualisierte Gewalt in Spanien gerade in aller Munde.
Jedoch finden nicht alle Opfer die gleiche Aufmerksamkeit. Weit weniger Menschen sind bisher auf die Straßen Madrids und Barcelonas gegangen, um gegen die Ausbeutung der zahlreichen Migrantinnen zu protestieren, die tagtäglich auf den Feldern, den Gewächshäusern oder in den Verpackungshallen arbeiten. Doch auch die Sichtbarkeit der besonderen Vulnerabilität migrantischer Arbeiterinnen steigt. So haben die feministischen Mobilisierungen der Bewegung „ M15 ” zum weltweiten Frauentag am 8. März das Thema Arbeitsausbeutung von Frauen wieder verstärkt in die öffentliche Aufmerksamkeit gerückt. Die Bewegung rief zu einem 24-Stunden-Streik auf, der zu zwei Stunden Arbeitsniederlegungen und Demonstrationen im ganzen Land führte.35
Auf der Agenda der feministischen Mobilisierungen standen Themen wie Arbeit, Pflege und Konsum, aber auch sexualisierte Gewalt. Die Feministinnen machten sich das Mittel des Generalstreiks zu eigen, das historisch überwiegend von einer männlichen Arbeiterschaft genutzt wurde und transportierten die Botschaft: „Ohne uns steht die Welt still.”36 Dabei stand das Thema Migration und migrantische Arbeitskraft zwar nicht im Mittelpunkt der Demonstrationen, wurde aber von einigen Aktivistinnen prominent zur Sprache gebracht. So beispielsweise von María Trinidad Jiménez von der Vereinigung „Las Kellys”, die sich für die Rechte der meist weiblichen und migrantischen Hotelangestellten in der Zimmerreinigung einsetzen. Sie betonte, dass ihre prekäre Situation – die enorme Arbeitsbelastung, der geringe Stundenlohn, unbezahlte Überstunden etc. – paradigmatisch für die Arbeitsausbeutung vieler Frauen seien.37
Auch die spezifische Situation der migrantischen Arbeiterinnen in der andalusischen Landwirtschaft wurde vermehrt öffentlich angeprangert. Unter dem Slogan „Erdbeeren ja, aber mit Rechten” riefen die Gewerkschaft SAT und andere, vor allem feministische Organisationen in verschiedenen Städten Spaniens im Juni 2018 zu Mobilisierungen auf, um gegen die Arbeitsausbeutung der Tagelöhnerinnen, die restriktive Einwanderungsgesetzgebung und die sexualisierte Gewalt gegen migrantische Frauen in der Erdbeerernte zu demonstrieren.38 Das war nicht der erste Protest von migrantischen Arbeiterinnen in der Erdbeerernte. Seit 2009 protestierten insbesondere marokkanische Migrantinnen immer wieder gegen die ausbeuterischen Arbeits- und Lebensbedingungen. Diese Mobilisierungen wurden jedoch kaum wahrgenommen, da sie von den großen Gewerkschaften und den meisten nichtstaatlichen Organisationen in der Region nicht unterstützt wurden.
Das änderte sich jedoch, als im Mai 2018 die deutschen Journalist*innen ihre Reportagen veröffentlichten, in denen Dutzende marokkanische Tagelöhner*innen von der Arbeitsausbeutung und der sexualisierten Gewalt in der Erdbeerernte berichteten.39 Das macht zum einen die traurige Tatsache deutlich, dass von Unternehmen wie der Politik die Missstände in der andalusischen Landwirtschaft lange Zeit bewusst totgeschwiegen wurden. Unter Almerías riesigem Plastikmeer und in den abgelegenen Barrios blieben die Migrant*innen und ihr Leiden für die spanische Öffentlichkeit wie auch für die deutschen Verbraucher*innen meist unsichtbar. Zum anderen zeigt die verstärkte Aufmerksamkeit im Zuge der online veröffentlichten Reportagen auch auf, wie hilfreich es sein kann, international über die Lebens- und Arbeitsbedingungen zu berichten, um so die Verantwortlichen stärker unter Druck zu setzen. Denn all jene, die von der Arbeitsausbeutung der Migrant*innen in der andalusischen Landwirtschaft profitieren, wissen, dass ein beschädigter Ruf der Agrarproduktion vor Ort schlecht für den Absatz in den europäischen Supermärkten sein kann. Die Tomaten und Erdbeeren aus dem andalusischen Plastikmeer, die zu Spottpreisen in unseren Supermarktregalen ausliegen, können uns nichts von der Ausbeutung migrantischer Arbeiterinnen berichten. Aber wir können es.
*Name geändert
Literatur
Breser, A. (2017): Mythen, Druck, Schuld- Bedeutung für die Beratungsarbeit. In: “Tief verborgen- tief verletzt” Tagung über sexualisierte Gewalt in Paarbeziehungen 30.11.2017 in Wien. Hrsg.: Zusammenschluss österreichischer Frauenhäuser. S.24-31. S. 26. [Online verfügbar hier, zuletzt geprüft am 09.08.2018].
Burt, M. (1991): Rape Mythts. In: Confronting Rape and Sexual Assault (1998). Hrsg.: Odem, M.E. & Clay-Warner, J.. S. 129- 144. S. 134 ff.
Cordero Zorilla, P. (2017): Las trabajadoras del “oro rojo”. In: Trabajadora60.V Época. Marzo 2017. S. 11. [Online verfügbar hier, zuletzt geprüft am 09.08.2018].
Echevarría, P. (2018): Acoso a trabajadoras extranjeras en el campo onubense: CCOO pide crear figura de agente de igualdad. In: La mar de Onuba vom 15.03.2018. [Online verfügbar hier, zuletzt geprüft am 09.08.2018].
Felma (Feministas en lucha Málaga) (2018): Huelva 17J: Su lucha es nuestra lucha. [Online verfügbar hier, zuletzt geprüft am 09.08.2018].
Fransisco, J.& dela Cruz G. (2008): Interventions from the Philippines. In: Comparative Perspectives Symposium: Women´s Labor Activism. S. 505-515. S. 508 f.
Hausmann, A., Kleinert, C., Leuze, K. (2015): „Entwertung von Frauenberufen oder Entwertung von Frauen im Beruf?“ Eine Längsschnittanalyse zum Zusammenhang von beruflicher Geschlechtersegregation und Lohnentwicklung in Westdeutschland. [Online verfügbar hier, zuletzt geprüft am 09.08.2018].
Müller, P. & Prandi, S. (2018): „Er kommt am Abend”. [Online verfügbar hier, zuletzt geprüft am 09.08.2018].
Spiegel Online (2018): Mildes Urteil nach Missbrauchsfall. Spanier demonstrieren für strengeres Sexualstrafrecht. Im Spiegel Online vom 27.04.2018. [Online verfügbar hier, zuletzt geprüft am 09.08.2018].
Sullivan, R. & Lee, K. (2008): Organizing Immigrant Women in America´s Sweatshops: Lessons from the Los Angeles Garment Worker Center. In: Comparative Perspectives Symposium: Women´s Labor Activism. S. 527-532. S. 530 f.
Fußnoten
- Zum Weiterlesen, siehe folgende Überblickswerke: Becker, R.; Kortendiek, B. (2010) (Hg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung: Theorie, Methoden, Empirie. 3. Auflage. VS Verlag für Sozialwissenschaft: Wiesbaden. & Löw, M; Mathes B. (2005) (Hg.): Schlüsselwerke der Geschlechterforschung. VS Verlag für Sozialwissenschaften: Wiesbaden.
- Bargetz, B., Lepperhoff, J., Ludwig, G., Scheele, A., Wilde, G. (2017): Geschlechterverhältnisse als Machtverhältnisse. Femina Politica, 1-2017, S. 11-24. S. 13.
- Kraß, A. (2003): Queer Studies – eine Einführung. In: Ders. (Hg.): Queer Denken. Gegen die Ordnung der Sexualität. Suhrkamp: Frankfurt a. M.
- Siehe z.B. hier,
- Wetterer A.(2017): Arbeitsteilung- und Geschlechterkonstruktion. „Gender at work“ in theoretischer und historischer Perspektive. Herbert von Halem Verlag: Köln.
- Für Westdeuschland vgl.: Hausmann, A., Kleinert, C., Leuze, K. (2015): „Entwertung von Frauenberufen oder Entwertung von Frauen im Beruf?“ Eine Längsschnittanalyse zum Zusammenhang von beruflicher Geschlechtersegregation und Lohnentwicklung in Westdeutschland. In:Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 67 (2). S. 217 – 242.
- Siehe z.B.: Winker, G.; Degele, Nina (2015) Intersektionalität: Zur Analyse sozialer Ungleichheiten. transcript Verlag
- Mehr dazu, wiehe Becker-Schmidt, Regina/Krüger, Helga (2012): Krisenherde in gegenwärtigen Sozialgefügen: Asymmetrische Arbeits- und Geschlechterverhältnisse – vernachlässigte Sphären gesellschaftlicher Reproduktion. In: Aulenbacher, Brigitte/Wetterer, Angelika (Hg.): Arbeit. Perspektiven und Diagnosen der Geschlechterforschung. Münster: Westfälisches Dampfboot, 12-41.
- Mannon, S., Petrzelka, P., Glass, C. M., Radel, C. (2012): Keeping them in their Place: Migrant Women Workers in Spain’s Strawberry Industry. In: International Journal of the Sociology of Agriculture and Food. 19. S. 83 – 101. S. 84f.
- Mannon, S. et al. (2012): S.88.
- Ebd. S. 84.
- Mannon, S. et al. (2012): S. 97.
- Scheele, Alexandra (2004): Feminisierung der Arbeit und die Arbeitsforschung. In: Arbeit 13 (2): S. 173.
- Mannon, S. et al. (2012): S. 89.
- Ebd. S. 85.
- Aulenbacher, B. (2010): Arbeit und Geschlecht – Perspektiven der Geschlechterforschung. In: Soziologische Geschlechterforschung. VS Verlag für Sozialwissenschaften. S. 142 – 155. S. 149f.
- WHO (2002): World report on violence and health.
- The Inter-Agency Standing Committee (IASC) (2005): Guidelines for Gender-based Violence Interventions in Humanitarian Settings; Focusing on Prevention of and Response to Sexual Violence in Emergencies, Geneva, IASC, S. 7.
- Krause, U. (2015): A Continuum of Violence? Linking Sexual and Gender-based Violence during Conflict, Flight, and Encampment. In: Refugee Survey Quarterly. 34 (4). S. 1 – 19. S. 3.
- McIlwaine, C. (2013): Urbanization and gender-based violence: exploring the paradoxes in the global South. In: Environment and Urbanization. 25 (1), S. 65-79. S. 66.
- Vgl. Müller, P. & Prandi, S. (2018): “Er kommt am Abend”.
- Ebd.
- Dass Vorfälle sexualisierter Gewalt häufig nicht angezeigt werden oder bei Anzeige ohne Folge für die Täter*innen bleiben, ist kein alleinig spanisches Phänomen. So zeigen beispielsweise Zahlen aus Deutschland, dass 13 Prozent aller Frauen in Deutschland strafrechtlich relevante Formen sexualisierter Gewalt erfahren haben, aber nur 8 Prozent (unter Abzug der Mehrfachnennungen sogar nur 5 Prozent) dieser Frauen Anzeige bei der Polizei erstatten. Dies liegt auch in Deutschland häufig darin begründet, dass bei dem Großteil der Verfahren die Täter nicht verurteilt werden und die Frauen damit das Risiko eingehen, der Verleumdung beschuldigt zu werden (vgl. Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (2005): Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland.)
- Vgl. Müller, P. & Prandi, S. (2018): „Er kommt am Abend”.
- Vgl. Breser, A. (2017): Mythen, Druck, Schuld- Bedeutung für die Beratungsarbeit. In: “Tief verborgen- tief verletzt” Tagung über sexualisierte Gewalt in Paarbeziehungen 30.11.2017 in Wien. Hrsg.: Zusammenschluss österreichischer Frauenhäuser. S.24-31. S. 26.
- Vgl. Burt, M. (1991): Rape Myths. In: Confronting Rape and Sexual Assault (1998). Hrsg.: Odem, M.E. & Clay-Warner, J.. S. 129- 144. S. 134 ff.
- Vgl. Müller, P. & Prandi, S. (2018)
- Ebd.
- Vgl. Cordero Zorilla, P. (2017): Las trabajadoras del „oro rojo“. In: Trabajadora60.V Época. Marzo 2017. S. 11.
- Vgl. Echevarría, P. (2018): Acoso a trabajadoras extranjeras en el campo onubense: CCOO pide crear figura de agente de igualdad. In: La mar de Onuba vom 15.03.2018.
- z.B.: El grito sin eco de las braceras. In: El País vom 04.06.2018.; Oder: Spanien debattiert nach CORRECTIV-Recherche über Missbrauch von Erntehelferinnen. Auf der Website von Correctiv, vom 18. Mai 2018.
- Auf Spanisch: „¡No es no!“ und „¡Yo sí te creo!“
- Vgl. Spiegel Online (2018): Mildes Urteil nach Missbrauchsfall. Spanier demonstrieren für strengeres Sexualstrafrecht. Im Spiegel Online vom 27.04.2018.
- So z.B. das Garment Worker Center in Los Angeles in den USA, das sich für die Rechte von Arbeiter*innen in den Bekleidungsfabriken einsetzt, in denen ein Großteil der Arbeitskräfte undokumentierte Migrantinnen sind. In diesem nach wie vor von extremen Arbeitsbedingungen und niedrigen Löhnen geprägten Industriezweig hat die gewerkschaftliche Organisierung deutlich nachgelassen, weshalb sich alternative Formen der Unterstützung herausgebildet haben. Siehe dazu: http://garmentworkercenter.org
- Zum Nachlesen: https://www.rosalux.de/news/id/38520/ohne-frauen-steht-die-welt-still/
- ebd.; Durán, Consuelo: Una década de pulso en la calle: de los indignados a la movilización de los jubilados y el feminismo. In: El Diario 24.8.2018.
- Cenizo, Néstor: La manifestación feminista desborda el Centro de Málaga. In: El Dario 8.3.2018.; Zur Arbeitsausbeutung migrantischer Arbeiterinnen in der Hotelbranche siehe auch: Neuhauser, Johanna (2018): ‘The Crisis Is Over? Maybe for the Rich, But Not for Us!’ Latin American Migrants’ Responses to the (Post-)Crisis Discourse in Spain. In: Sociology 52 (3), 457f.
- Vilaseca, Àngels/Blanco, Montse(2018): Fresas sin explotación: las mujeres inmigrantes en pie de guerra. 18.6.2018.
- Jornaleras inmigrantes en Huelva: Opresión y explotación al servicio del agronegocio andaluz. 15.6.2018.